Ave's Place - Alltägliche Bösartigkeiten und der ganz normale Wahnsinn



Der Große Direktor


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Eine kleine Geschichte:

Diese Geschichte spielt in einer Kleinstadt. In dieser Kleinstadt gibt es ein Gymnasium mit zwei hervorstechenden Markenzeichen: Das eine ist ein alter viereckiger Turm. Da hat wohl früher ein Hauslehrer drin gewohnt. Vermutlich. Heute haust da ein anderer Lehrer. Aber nur tagsüber. Wie auch immer, diese kleine Schule hatte auch einen Direktor. Dieser Direktor hielt sich aber für sehr groß. Er war das zweite Markenzeichen. Und von ihm soll diese Geschichte erzählen.

Dieser Direktor, wir nennen ihn mal Hartfried Preuss, war zwölf Jahre lang oberster Studienrat des Gymnasiums. Sein ganzer Stolz waren seine Autos (erst roter BMW 3er, dann versilberter Z4), sein Dienstgrad (Oberleutnant a. D. der Bundeswehr) und seine ausgesprochen gute Menschen- und Pädagogikkenntnisse. Und weil nicht jeder auf dieses seine Niveau hinaufkam, mühte er sich redlich ab, seinen Schülern von der fünften Klasse an die drei wichtigsten Grundfesten der Gesellschaft anzutragen: "Lernen, lernen, lernen - und Gemeinschaft!" Sie lagen ihm sehr am Herzen, seine Schäfchen. So sehr, dass es ihn schwer traf, wenn sie scheinbar nicht in der Lage waren, die vielen kleinen bedeutenden pädagogischen Maßnahmen in sein großes Gesamtkunstwerk einzufügen.

Die Schüler taten sich aber auch schwer, obgleich sie sich redlich bemühten, seinen alljährlichen Konzeptvorträgen zu folgen. Doch die rhetorische Brillianz dieses preußischen Meister der Dialektik war schlicht so hoch für die folgsame Schar, dass so manch einer sich kapitulierend in eine schlafähnliche Trance flüchtete, da bekanntlich ja das Unterbewusstsein nur schlafenderweise in der Lage ist, komplizierte Informationen zu verarbeiten. Übertroffen wurde diese sprachliche Meisterkunst nur noch von der unübertroffenen Fähigkeit des Direktors, das Ge- und Versprochene so konsequent und reibungslos in die Tat umzusetzen, dass sogar Teile des Lehrerkollegiums nur staunend vermuten konnten, man bemerke es deswegen nicht, weil es schlicht und einfach so gut sei.

Das Lehrerkollegium selbst sah sich, angesichts des überragenden Scheins der Heiligkeit des unfehlbaren Kommandanten, gespalten: Während die einen eine Sonnenbrille aufsetzten und kurzerhand erklärten, dass selbst das heißeste Licht nur die Luft erwärme und irgendwann verblassen müsse, folgten die anderem dem hellen Stern bis in seine heilige Halle, um vor ihm nieder zu knien.

Doch irgendwann musste der Tag kommen, an dem die Schülerschaft sich regen sollte. Vielleicht war es aus Unverständnis über die Bedeutung der vielen kleinen, für die Schüler scheinbar unangenehmen, Maßnahmen im Plan des Großen Bruders. Vielleicht wurden sich auch von böswilligen Teilen des abgelernten Prekariats dazu angestiftet: Die Schüler rächten sich am Tage ihres Abschieds.

An diesem Tage versuchten die fleißigsten Schüler, ihrem großen Vorbild nachzueifern. Sie versuchten sich in seiner ureigensten Paradedisziplin - der Rede. Und in dieser Rede versuchten sie ihrerseits dem großen Plan ihres großen Führers nachzueifern, in dem sie ihre Sicht über die Zeit unter seiner schützenden Hand und für die Zeit nach ihm darlegten - denn auch er hatte sich mittlerweile zurückgezogen, um das Reifen seines Meisterwerks aus gebührender Distanz zu beobachten. Doch natürlich reichten ihre beschränkten rhetorischen Mittel nicht aus, um seinen Glanz zu erreichen, also kamen ihre Gedanken und Meinung nur allzu deutlich zu Tage. Und es geschah, was sie nie beabsichtigt hatten: Ihre Rede traf den großen Meister tief ins Herz.

Und so geschah es, dass er vor Trauer ob der vielen Sünde unter seinen Augen die Stimme hob und zu einer Antwort ansetzte. Und gleich einer Sintflut ergossen sich seine Worte über die Sündiger, so dass jeder, der sich nicht retten konnte, weggespült ward. Auch die zwei Auserkorenen waren machtlos ob dieser ungleich größeren Kraft und Bedeutung seiner Worte. Doch als alle seine ehemaligen Schäfchen sich windend darniederlagen, da machte er immer noch nicht halt. Er verfiel in blinde Raserei ob dieser Lästereien und holte zum Schlag gegen den neuen Hirten der Schüler aus, der seine weisen Worte nicht gebührend verkündigt hatte. Doch dieser war listig und erfüllte scheinbar des großen Herrn Wunsch. Und als die Schülerscharen aufstanden, da lachten sie. Und ebenso die Scharen des Kollegiums, sie lachten. Und jeder, der die Worte eingesehen hatte, lachte.

Da verschwand der alte Direktor und ward nie mehr gesehen. Gerüchteweise soll er ab und zu gesichtet worden sein, auf einem Zweirad und beim Versuch, das Land zu verlassen. Er hatte nie gelernt, wann besser Schluss sein sollte. Er hielt sich für einen großen Kenner der Menschen und kannte sich doch selbst nicht. Er wollte, dass alle gut von ihm dachten, doch nie wusste er von den Gedanken über ihn. Er tat was er konnte, doch er sah nie, dass es nicht gut war.

Und wenn er nicht gestorben ist, so lebt er noch heute...

Comments:
Blogger aworldtocome said...

Erst Oberleutnant, dann Direktor, eine tolle Kombination.

5:44 PM  

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