Ave's Place - Alltägliche Bösartigkeiten und der ganz normale Wahnsinn




Zunächst einmal eine geradezu revolutionäre Feststellung: Der Mensch agiert primär nach seinen eigenen Interessen. Verrückt, oder? Wer hätt's gedacht. Daraus folgt, dass „Freunde“ nur so lange Freunde sind, bis der eine etwas hat, was der andere will – oder ihm von Nutzen ist. Wiederum folgt daraus, dass keiner – nicht einmal sog. „Freunde“ - einander wirklich vertrauen. Es sei denn, einer der Freunde ist vollkommen blind und naiv. Also gut, das ist zugegebenermaßen ziemlich zynisch und misanthropisch ausgedrückt. Ich denke auch nicht, dass das auf alle Menschen zutrifft und erkenne die Möglichkeit wahrer Freundschaft durchaus an. Aber man kann dieses, durchaus grobe, Modell fast eins zu eins auf die Staaten dieser Welt übertragen.

Auch hierzu erst mal eine grundlegende Feststellung: Spionage ist alt. Uralt. Sie hat nicht erst mit dem Kalten Krieg begonnen. Seien es die Fugger, die schon im 15. Jahrhundert ein europaweit reichendes Infomationsnetzwerk – nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen – unterhielten, oder der Sonnenkönig Ludwig XIV. von Paris aus Zuträger an allen europäischen Höfen platzierte, im Übrigen genauso, wie der Alte Fritz in Preußen. Auch weltbekannte Spione findet man schon im 15. Jahrhundert: Unter dem Künstlernamen „Alamire“ spielte ein Peter Imhof aus Nürnberg unter anderem als Musiker und Diplomat an sämtlichen Höfen von London bis Wien – und verdiente sich als Agent beider Seiten ein vermutlich nicht unbeträchtliches Zubrot. Im 18. und 19. Jahrhundert waren die mit Hilfe von Spionage gewonnen Informationen Grundlage politischer Handlungen. Die Weltkriege und der Kalte Krieg trieben das ganze nur auf bisher unbekannte Höhen. Aber eins ist festzustellen: Ob Mittelalter oder Gegenwart, Spionage hat noch nie Grenzen zwischen Freund und Feind gezogen. Man weiß ja nie, was sich mal als nützlich erweisen könnte.

Aberirgendwie scheint all dies für unsere gegenwärtige Regierung#Neuland zu sein. Selten waren Minister und Regierungschefs so stolz auf ihre absolute und tiefgreifende Ahnungslosigkeit und haben diese so demonstrativ zur Schau gestellt.
Ausländische Geheimdiensttätigkeiten in Deutschland? Gibt es nicht!
Abhören unserer Einrichtungen und Abfangen aller Daten? Glauben wir nicht!
Bundesnachrichtendienst ist daran beteiligt? Wissen wir nicht!
BND und NSA? Kennen wir nicht!
Schutz der verfassungsrechtlich geschützten Grundrechte Informationssicherheit und Privatsphäre? Haben wir nicht!
Internet? #Neuland!

Mitten im Wahlkampf, keine zwei Monate vor der Wahl setzt sich die Bundeskanzlerin Merkel in die Bundespressekonferenz und gibtfreimütig zu, weder den Abhörskandal zu überschauen, PRISMüberhaupt verstehen zu wollen noch eine Ahnung zu haben, was jetztzu tun sei. Alles was kommt, sind Verbalrohrkrepierer a la „Wir fordern von unseren amerikanischen Partnern...“, „Wir fordern die Amerikaner auf...“ oder „Wir werden uns bemühen...“. Ja klar. Interessanterweise hört man ausgerechnet von den Vertretern jener Partei, der Bürgerrechte angeblich so wichtig seien, nämlich der FDP (wer kennt sie noch?), überhaupt nichts. Aussenminister Westerwelle, der eigentlich seinem Amtskollegen in den Vereinigten Staaten richtig auf die Nerven gehen, dessen Botschafter Dauer-einbestellen müsste ist mucksmäuschenstill. Justizministerin Leutheuser-Schnarrenberger, die den in Deutschland ansässigen Einrichtungen und Firmen der NSA mit Anklagen drohen müsste – schweigt. Mir ist schon klar, dass als das wohl trotzdem nichts bringen würde, aber diese Stille ist bezeichnend. Und wenn nur, weil Wahlkampf ist.

Aber die unbestrittene Galionsfigur der Ahnungs-, und Aktionslosigkeit ist Innenminister Friedrich. Wenn man ihn während dieser ganzen Geschichte beobachtet, könnte man zum Schluss kommen, dass er vor einer Woche zum ersten Mal von der Existenz von Geheimdiensten erfahren, verblüfft festgestellt hat, dass Deutschland auch einen unterhält und gelernt hat, dass NSA keine Abkürzung für eine amerikanische Profisport-Liga ist. Und das ihm jemand gesagt haben muss, dass er als Innenminister auch für die Wahrung der Verfassung in Deutschland zuständig ist! Niederschmetternd putzig sind seitdem seine tapferen Versuche, Kompetenz zu beweisen (siehe vorletzter Absatz), für Aufklärung zu sorgen („Hallo, bin extra her geflogen, um euch zur Rede zu stellen!“ - „Nö, is alles geheim.“ - „Okay, dann. Äh... tschüss, ne?“), Standhaftigkeit zu beweisen („Wir fordern...“, „Wir erwarten...“, „Wir wollen...“, „...amerikanische Partner...“ etc.) und absolute Ignoranz zu wahren: Nach seiner Meinung zum Zwergenaufstand der deutschen Regierung gefragt, antwortet der aktuelle Chef der NSA, Keith Alexander, unbeeindruckt: „Wir sagen ihnen nichtalles, was wir machen oder wie wir es machen - aber jetzt wissen siees.“ Oder anders ausgedrückt: Sie haben keine Ahnung, was und wie wir es machen. Jetzt wissen sie, dass wir was machen – und es ist uns egal. Friedrich? Hat zwei Tage nach dieser Äußerung (berichtet u.a. von Spiegel und Süddeutsche Zeitung) überraschenderweise – keine Ahnung.

Und die Amerikaner? Machen sich lustig. Früherer NSA und CIA-Direktor Michael Hayden vergleicht die Reaktion der deutschen Politik mit der naiven Dummheitdes Polizeichefs Renault in dem Filmklassiker „Casablanca“: Die ganze Stadt und Scharen extra anreisender Reicher nehmen in Rick's Café an illegalen Glücksspielen teil, aber Renault (der regelmäßigen Kontakt mit Rick pflegt) fällt aus allen Wolken, als er schließlich davon erfährt. Schönes Bild.

Aber der größte Skandal für Deutschland, die Bevölkerung und das politische System ist der, dass all dies vermutlich kaum Auswirkung auf die Wahl haben wird: Weder im Ergebnis, der Unfähigkeit der Opposition, daraus Kapital zu schlagen geschuldet – noch in der Beteiligung. Es scheint, als seien die naiven Regierenden eben die passenden Vertreter ihrer Bevölkerung...


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