Ave's Place - Alltägliche Bösartigkeiten und der ganz normale Wahnsinn



Siebenbürgen 1500-2013: Vom Berg ins Dorf, Tag 5+6

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Von Hermannstadt sind es nur 30 Kilometer bis zu den Karpaten. Zumindest bis zum Vorgebirge. Die Hohe Rinne ist einer dieser Berge, der nächste vor der Stadt, mit einer Höhe von rund 1700 Metern. Hierhin kann man aus der Stadt in die Natur fliehen, sei es im Winter zum Skifahren oder im Sommer zum Wandern. Unzählige Schüler wurden schon an Wandertagen über diesen Berg getrieben...

Am Fuß des Berges liegt das Dorf Rasinari, ein rumänisches Dorf ohne deutschen Siedlungshintergrund, gegründet am Anfang des 18. Jahrhunderts. Die Betonung des rumänischen Hintergrunds ist nicht willkürlich, denn es gibt durchaus Unterschiede zwischen sächsischen, rumänischen und ungarischen Dörfern. Heute sind diese Unterschiede kaum noch zu erkennen, lediglich die Namen oder architektonische Hinweise verraten die Ursprünge. Seit der Besiedlungszeit Siebenbürgens lebten Ungarn, Sachsen und Szenkler für Jahrhunderte friedlich nebeneinander, bildeten im 16. Jahrhundert sogar eine politische Einheit, die zur Bildung des autonomen Fürstentums Siebenbürgen führte. Die Menschen jeder dieser drei Nationen waren sich ihrer politischen und ethnischen Zugehörigkeit immer bewusst. Trotzdem lebten diese Nationen nicht getrennt und abgegrenzt voneinander in verschiedenen Territorien. Ihre Dörfer mischten sich, gleich einem Flickenteppich, in ganz Siebenbürgen. Natürlich hatte jede Nation ihre Ballungsgebiete, z. b. die Ungarn in den Territorien ihrer Komitate entlang der westlichen Grenze zu Ungarn, die Szekler in ihrem Siedlungsgebiet in den Bergen und die Sachsen in den Ballungsräumen der Hermannstädter Provinz, des Burzenlandes um Kronstadt und im Nösnerland um Bistritz. Die Zahl der rumänischen Einwohner wuchs ebenfalls, durch Zuwanderung aus den östlichen Gebieten jenseits der Karpaten. Aber die Rumänen kämpften noch bis zur Eingliederung Siebenbürgens unter die österreichisch-ungarische Doppelmonarchie 1866 vergeblich um politische Gleichberechtigung neben den anderen drei Nationen.

Wie dem auch sei. Angeblich wäre Resinari, wie unser Taxifahrer auf dem Weg auf die Hohe Rinne beteuerte, weltberühmt für seinen Schafskäse. Davon gibt es im Dorf an jeder Ecke welchen zu kaufen. Und die grünen Hügel bis zum Plateau ganz oben sind die Weidegebiete der ortsansässigen Herdenbesitzer und ihrer Schäfer. auf dem Weg nach oben sieht man weite Flächen, gespickt mit Schäferhütten und natürlich vielen Schafen.

Der Berg ist sozusagen Naherholungsgebiet für die Städter aus Hermannstadt, also findet man hier ein paar Hotels und Skilifts für den Winter, ein paar alte Hütten vergangener Tage und viele nagelneue Ferienhäuser und Pensionen. Aber gleich jenseits der Hauptstraße beginnt die trotzdem noch sehr unberührte Natur und so weit das Auge reicht, sieht man dichten Wald, den man auf Wanderwegen stundenlang durchkämmen kann - wenn das Wetter stimmt.












Von der Hohen Rinne und den Bergen führt uns unser nächster Weg in die entgegengesetzte Richtung. Wir folgen der Straße von Hermannstadt nach Agneteln und fahren durch einige der ältesten Dörfer des ehemaligen Königsbodens, viele davon nicht viel jünger als Hermannstadt selbst. Auf den Ortsschildern finden sich (wieder) Namen wie: Rothberg, Holzmengen, Alzen und schließlich Martinsdorf - zugegebenermaßen nicht zufällig das Ende dieser Fahrt. Viele der ältesten Orte in Siebenbürgen wurden nach den Anführern der Siedlungstrecks, sog. Gräfen, benannt. Bei Hermannstadt eben ein gewisser Hermann, bei Michelsberg liegt ein Michael nahe, bei Martinsdorf eben ein Martin. Lediglich bei Alzen will es die Legende, dass gleich zehn (selbsternannte?) Anführer um die Namensgebung stritten und schließlich den Kompromiss "All-zehn" - Alzen - schlossen. Man könnte immerhin daraus schließen, dass paritätische Entscheidungsfindung bei den Sachsen schon früh tief verwurzelt war...

Wenn man nach Martinsdorf über eine lange, sich windende Straße entlang endloser Wiesen und Waldstücke über eine Kuppe in ein von Hügeln umgebenen Kessel fährt, fühlt man sich ein wenig wie in eine längst vergangene Zeit versetzt. Wäre da nicht das recht moderne, multipferdestärkengetriebene Gefährt, in dem man sitzt. Man spürt, dass Martinsdorf ein altes Dorf ist. Und man kann es sehen, wenn man sich die Kirche genauer anssieht.

Wie die meisten siebenbürgischen Dörfer hatte auch Martinsdorf eine imposante Kirchenburg. Heute kann man davon leider lediglich zwei Türme sehen, den Turm des in die einst vorhandene Mauer eingegliederten Pfarrhauses und den wehrhaften Glockenturm. Anhand einer in einem der Stützbalken eingebrannten Jahreszahl kann man das alter dieses Turms erahnen.


Leider sieht man an Martinsdorf auch die Schattenseiten des sächsischen Exodus des 20. Jahrhunderts: Am Anfang des 20 Jahrhunderts lebten in Siebenbürgen noch über 300.000 Sachsen. 2007 waren es nur noch rund 15.000. Dem Umland kann man noch ansehen, dass es einst kultiviert worden war. Der reinen Zahl der großen Höfe im Ort kann man entnehmen, dass auf den Straßen einst ein reges Leben stattgefunden hat. Und vielen der Häuser kann man ansehen, dass sie einst einen imposanten, durchaus wohlhabenden, Anblick abgegeben haben müssen.

Aber die massenweise Auswanderung der Sachsen im 20. Jahrhundert und danach zeigt sich in Martinsdorf, stellvertretend für viele andere sächsische Dörfer, auf verheerende Weise. Der Ackerbau im Umland ist bis auf wenige Felder und Beete komplett eingestellt, die Gesamtbevölkerung des Ortes ist auf einen Bruchteil zusammengeschrumpft und von den rumänischen Einwohnern des Ortes schlagen sich viele lediglich mit Tagelöhnerei über Wasser. Die noch im Ort verbliebenen Sachsen kann man an einer Hand abzählen. Und viele der alten Höfe und Häuser sind unbewohnt und verfallen ungenutzt.

Aber wie in vielen anderen Orten auch, finden auch in Martinsdorf ehemalige Einwohner zu ihren Wurzeln zurück und richten sich in Gekauften oder ihren Elternhäusern Ferienhäuser ein und erhalten so einige der historischen Häuser des Ortes. Manch ein junges Paar zieht die kontemplative Stille dem Stadtlärm vor. Und vom Kirchturm bietet Martinsdorf trotz allem noch immer einen schönen Anblick.




Siebenbürgen 1500-2013: Michelsberg, Tag 4

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Es ist jeden Tag was geboten in Hermannstadt. In diesen Tagen allein erlebten wir eine Modenschau örtlicher Designer und das Fest Huet.Urban am gleichnamigen Platz, mit Live-Musik an 2 Abenden. Man kann also in der Stadt schon einiges erleben, so langsam manifestiert sich der Eindruck, dass eine Woche viel zu kurz ist, um alles zu schaffen was man sich vorgenommen hat...

Aber wir wollten ja jetzt das Umland unsicher machen. Also Mietauto klarmachen und erstmal Proviant auf dem Markt einkaufen. Ein Markt, wie man ihn selten sieht. Irgendwo stehen geblieben zwischen Orient und Mittelalter wird hier alles feilgeboten, was man sich zu kaufen trauen könnte: Obst, Gemüse, Käse, Fleisch, Holzbesteck, Schuhe... und alles von Bauern aus dem Umland angebaut und gefertigt. Aber es sieht schlimmer aus, als es ist. Alles hier ist im wahrsten Sinne des Wortes Bio, es ist frisch und schneller Verzehr wird empfohlen...

Hermannstadt war im 16. Jahrhundert zentraler Hauptort der Hermannstädter Provinz, bzw. der Sieben Stühle Schäßburg, Mühlbach, Schenk, Reußmarkt, Reps, Leschkirch und Broos und der Zwei Stühle Mediasch und Schelk. Es sollte nicht lange dauern, bis die Bezirke Kronstadt, ehemaliger Deutschordensbesitz, und Bistritz im Norden eingegliedert wurden. Aber die Region um Hermannstadt war der zentrale Bereich wo die ersten Siedler auf dem sog. "Königsboden" eintrafen und gesonderte Rechte vom König erhielten, Rechte, die die ungarischen und szeklerischen Einwohner der anderen Grenzregionen Ungarns nicht genossen: Darunter waren Garantien von Eigenverwaltung, Eigengerichtsbarkeit, freie Religionsausübung und Verantwortlichkeit nur direkt gegenüber dem König. Diese Rechte ermöglichten eine besondere Prosperität und waren für über 700 Jahre die Rechtsgrundlage, sozusagen das Grundgesetz, der Siebenbürger Sachsen.
Nicht weniger alt als Hermannstadt entstanden im gleichen Zeitraum im Umkreis weitere Ortschaften wie Neppendorf, Heltau oder auch Michelsberg. Über dem alten Ort thront eine der ältesten Kirchenburgen Siebenbürgens, datierbar bis ins 12. Jahrhundert, also der unmittelbaren Siedlungszeit. Die Kirchenburgen sind die Wahrzeichen Siebenbürgens und Bestandteil des UNESCO-Weltkulturerbes. Entstanden sind sie zur Zeit der osmanischen Expansion nach Europa: Um sich von den guerillia-artig vorstoßenden Türkenheeren zu schützen, bauten die Siedler ihre Dorfkirchen zu massiven Wehr- und Trutzburgen aus, mit dicken Ringmauern und starken Türmen. Nicht selten wurden auch die Glockentürme zu Burgfried-ähnlichen Türmen ausgebaut, mit Schießscharten und Pechnasen zur Verteidigung. Die Kirchenburg von Michelsberg ist jedoch ein einfacher romanischer Bau auf der Spitze eines schwer zugänglichen Berges am Dorfrand. wenn man ihn hinaufgeht, kann man sich lebahft vorstellen, wie schwer der Berg einzunehmen sein musste.
Im Inneren ist heute eine Gedenkstätte für im Ersten Weltkrieg gefallene Soldaten aus Michelsberg. Die Basilika ist einfach gehalten, ein Kirchenschiff mit zwei Seitenschiffen, einem Altarraum und dem für die Zeit charakteristischen Holzdach. Über zwei Zugänge kann man noch immer in die dicken Mauern gelangen und auf den Dachstuhl, von dem aus die Verteidiger in ferner Vergangenheit auf die anstürmenden Osmanen hinabsahen und sich bereitmachten, ihre Heimat zu verteidigen.
Michelsberg von der Bergkriche gesehen

Ebenfalls direkt im Umland von Hermannstadt, gerade mal 30 Kilometer entfernt, ist der Hausberg der Stadt, die Hohe Rinne. Fortsetzung folgt...


Siebenbürgen 1500 - 2013: Hermannstadt, Tag 3

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Zu seinen besten Zeiten, als Hauptstadt des Fürstentums Siebenbürgen, war Hermannstadt von einem gewaltigen Mauerring umgeben, abgesichert von vier mächtigen Bastionen. Dieser Mauerring war der letzte von dreien, die sich von innen nach außen mit der wachsenden Stadt ablösten bzw. ergänzten.
Noch heute kann man diese Mauerringe nachvollziehen, wenn man durch die Straßen der Altstadt und an ihren Rändern entlangwandert. Bisher habe ich noch kaum eine andere Stadt besucht, in der man so gut auf ihren mittelalterlichen Spuren wandeln kann. Regensburg ist die einzige bisher, die da ran kommt. Aber zurück zu Hermannstadt.

Vom Kleinen Ring, dem Huet-Platz und beim Altemberger-Haus - dem Alten Rathaus - kommt man über Treppen von der Oberstadt in die Unterstadt. Hier kann man die alten Befestigungsreste der Oberstadt und damit den ältesten, dritten Verteidigungsring, sehen. Mauern, an den Berg gebaut und mittlerweile in Gebäude integriert. aber sie sind immer noch klar zu erkennen. Hier sieht man die Mauerbögen, unter denen man von der Treppe in die anschließende Gasse kommt.

Die Treppenzugänge sind, wie die Mauerteile selbst, in bestehende alte Gebäude integriert und beherbergen zahlreiche Geschäfte, Cafés oder Restaurants. In viele der alten Gebäudekatakomben hat mittlerweile das Hermannstädter Nachtleben Einzug gehalten - vermutlich gar kein so großer Unterschied zu den mittelalterlichen Zeiten. Und in manchen Gebäudeteilen und Höfen unterhalb der Mauer erkennt man noch einen alten Wachturm, der in neuere Wohnhäuser integriert wurde.




Aber wir sind das letzte mal an der Westseite Hermannstadts stehen geblieben, beim Franziskanerkloster. Am Ende der Franziskanergasse kommt man zur äußersten Mauer, dem jüngsten und größten Mauerring, wie man ihn auf der alten Karte oben sehen kann. Auch hier kann man unter typischen Mauerringen durchgehen und so bis in die Unterstadt, bzw. aus der Altstadt hinaus kommen

Folgt man der Mauer nach Norden kommt man zum standort einer der Bastionen. Heute sind diese leiter kaum noch zu erkennen, in diesem Fall findet man ein Krankenhaus. aber das Rondell, auf dem die Bastion stand, existiert noch immer und darunter geht man an einer imposanten Mauer entlang. Hier an der Nordseite der Altststadt sieht man die deutlichsten spuren der alten Mauer und der Befestigungen. Zum Teil sind sie in den stufenartigen Erhöhungen von der Straße aus erkennbar, geht man weiter, findet man die alten Tore, durch die man durch den äußersten Ring gelangen konnte.

Zwischen dem äußeren und dem inneren, zweiten Verteidigungsring verläuft ein Graben, durch den man heute hübsch spazieren gehen kann.








Große bzw. lange und starke Mauern, Gräben, Wälle und Tore... Die Verteidigungsringe großer Städte waren teuer. Selbst wenn die Stadt eine mächtige Handelsstadt war, konnte der Unterhalt dieser Verteidigungsanlagen größere Löcher ins Stadtsäckel reißen, als Kanonenkudeln in die Mauern. Also musste der Unterhalt der Mauer und die Verantwortung der Stadtverteidigung outgesourced werden - spart Steuergeld und gibt den Bürgern Eigenverantwortung in die Hand. Die mächtigen Zünfte der Stadt übernahmen jeweils Verantwortung für einen Mauerabschnitt und einen Turm, die fortan nach der jeweiligen Zunft benannt wurden. Heute sieht man drei solcher Türme und einen kompletten Mauerabschnitt dazwischen, mitsamt Wehrgang.
Angeblich sollen die Türme und der Wehrgang, zu kommunistischen Zeiten fahrlässig behandelt, früher noch begehbar gewesen sein. Mittlerweile sind sie natürlich gesperrt. Schade eigentlich.
Es gibt noch einige weitere solcher Zeichen der alten Wehrhaftigkeit des alten Hermannstadt, der Pulverturm im Süden, der Dicke Turm im Norden, Überreste an den Standorten der anderen Bastionen und natürlich fast an jeder Ecke der Mauer südlich der Oberstadt. Aber ich belasse es erstmal bei diesen. Hermannstadt könnte man noch viel weiter erkunden. Aber dieses Tagebuch heißt ja nicht "Hermannstadt 1500-2013". Es geht ins Umland...


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