Über den Eurovision Song
Contest kann man zu recht geteilter Meinung sein. Man nimmt ihm diesen angestrebten Schritt vom Schlagerfestival zum Pop-
Event nicht so wirklich ab. Zweimal hat der
Raab die Show ziemlich dumm aussehen lassen und bei der ernsthaften Teilnahme seiner Entdeckung Max sah Europa auch recht dämlich aus der Wäsche. Dazwischen 08/15-
Popeinheitsbrei. Gott sei Dank kamen da letztes Jahr die Finnen und haben mal ein
unüberhör- und
sehbares Ausrufezeichen gesetzt.
Was aber auffällt: Seit Max
Mutzke kann man durchaus behaupten, dass Deutschland nach den
GAUs der letzten Jahre ein Gespür für Qualität in der Musik entwickelt, zumindest wenn man sich ansieht, wen wir in den letzten Jahren so losgeschickt haben: Max
Mutzke, über den braucht man wohl nicht mehr so viel sagen. Schade, dass man von ihn nichts mehr hört. Texas
Lightning, okay, das ist
Geschmackssache. Aber immerhin mal eine Band, die fernab vom
Einheitsbrei arbeitet. Und dieses Jahr: Roger
Cicero.

Berliner, Musikersohn, mit 11 Jahren zum ersten Mal auf der Bühne, noch keine 20 und schon Touren mit diversen Jazzgruppen. Das ist, was man auf
Wikipedia über ihn findet. Auf
jedenFall einer, der Talent besitzt, dieses auszunutzen weiß und dementsprechend fleißig damit gearbeitet hat.
Nix mit Retorte und
Casting. Gott. Sei. Dank. Und dann bin ich, bei durchlesen eines Artikels auf sein Album
Männersachen neugierig geworden und habe es mir prompt zugelegt. Denn ich höre auch gerne
sowas, neben dem, was sonst immer da rechts unten steht. Und jetzt folgt eine kleine Rezension.
Was man auf dem Album findet, ist weitestgehend klassischer Swing. Weitestgehend deshalb, weil es zwar klassischer, aber kein
langweiliger Swing ist.
Cooler Sound, oft mit abwechslungsreichen Effekten durch die Bläser, woanders hört man auch mal eine E-Gitarre
jazzig durch. Fast schon irre werden die Bläsereinlagen in "Das ganze Leben ist ein Zoo", man kann eben auch Tierlaute in einer
BigBand nachahmen. Ansonsten wechseln sich klassische
BigBand-Songs mit den charakteristischen "
Plomb,
plomb"-Kontrabasseingängen zwischen fast schon
souligen Klavier/Streichernummern ("Ich atme ein"; erster Gedanke: Mach mal ein Duett mit
Joy Denalane!) und fast schon poppigen Songs ("
Murphys Gesetz") ab.
Die Stärke sind die Texte.
Cicero besingt witzig und ironisch alltägliche Kleinigkeiten wie Dauerpech ("
Murphys Gesetz") oder das geliebte aber nicht mehr diensttaugliche Auto ("Mein guter Stern auf allen Wegen"). Und er erzählt Geschichten, wie die vom tollen Hecht, dem es aber
zu Hause "
Zieh die Schuh aus" entgegenschallt, oder vom "seltsamen Typen, dessen Haltung verrät/dass er nicht von ungefähr kommt, aber immer zu spät" ("Ich Idiot ließ dich gehen"). Witzig und ironisch sind die Songs "Das ganze Leben ist ein Zoo" und "Kompromisse", in letzterem besingt er das Geheimnis einer perfekten Partnerschaft: "Ich wollt' '
nen Flitzer, du Caravan/jetzt
fahrn wir Bahn; du wolltest Kinder, ich sah kein Grund/es kam ein Hund..."

Was gab es nicht alles in den letzten Jahren: TV Total Jazz
Night, A Tribute
to the Rat
Pack,
quotentauglicher Swing und Jazz im Fernsehen.
Robbie Williams hat aufgezeigt, dass
BigBand-
Sound durchaus
jugendkompatibel ist und neue Stars wie
Norah Jones bestätigen, dass Jazz Pop ist. In Deutschland haben wir
Götz Alsmann als "altgedienten",
Joy Denalane (v.a. mit dem letzten Album),
Tom Gäbel im ganz klassischen Stil... und jetzt auch Roger
Cicero. Wer auch gerne mal Swing und Jazz hört - Kauftipp. Nebenbei: Das Album ist mittlerweile mit Platin ausgezeichnet. Ich bin spät dran...
Labels: Purer Narzissmus